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Lust auf Abenteuer / Welt am Sonntag (eine Seite) / 2011

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Lust auf Abenteuer
Als erste Hochsee-Paddlerin will Freya Hoffmeister Südamerika umrunden: 22 000 Kilometer allein im Kajak.
Das hat noch niemand geschafft
Fotos: dpa
Nein, sie kenne keine Furcht, sagt Freya Hoffmeister. Und ja, sie hänge sehr am Leben, an ihrer Gesundheit, Familie und ihren beiden Eisdielen in Husum.
Die 47-Jährige von der Nordseeküste hat schon viele Extremsituationen erlebt, jetzt ist sie zu ihrem größten Abenteuer gestartet. Gestern stach sie mit ihrem Kajak an der Küste Argentiniens in See. Startpunkt war der feine Puerto Madero Yachtclub in Buenos Aires. Von hier aus will sie Südamerika umpaddeln. Den ganzen Kontinent. 22 000 Kilometer. Ganz alleine. Vor ihr hat sich das noch kein Mensch zugetraut und zugemutet.
Im Gespräch mit ihr wird schnell klar: Die attraktive Extrempaddlerin vertrödelt keine Zeit, wiederholt sich ungern, redet nicht lange drumherum. Sie sei ein norddeutscher Dickkopf, eine Macherin, eine Frau, die sich extreme Ziele setze: „Sie sind mein Antriebsmotor, mein Elixier, das verhindert, satt und selbstzufrieden zu werden.“
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Freya Hoffmeister, Inhaberin zweier Eisdielen und eines Geschenkartikel-Geschäfts, ehemalige Turnerin (da holte sie sich die Geschmeidigkeit für den Extremsport), Bodybuilderin (da holte sie sich die körperliche Kraft) und Fallschirmspringerin (da holte sie sich Mut und mentale Stärke), von einem Kampfschwimmer geschieden, ein 15-jähriger Sohn, der die meiste Zeit beim Vater wohnt, sucht immer wieder neue Herausforderungen. „Die vor mir liegende ist immer die größte. Und diesmal stimmt es wirklich“, sagt sie. „Mein Kajak und ich sind gut vorbereitet. Ich werde das Kind schon schaukeln.“
Vor gut zwei Jahren machte sie sich als erste und bis heute einzige Frau auf den Weg, im kleinen Kajak den großen Kontinent Australien zu umrunden. 13 714 Kilometer waren es am Ende einer langen, anstrengenden und atemberaubenden Reise. 245 Tage war sie auf hoher See oder in Küstennähe unterwegs, paddelte zehn bis zwölf, manchmal auch 15 Stunden pro Tag, schlief meist im Zelt am Strand, manchmal im Boot, auch mal bei Einheimischen zu Hause, traf auf Haie, die ihr Kajak mit einer Robbe verwechselten, kolossale Krokodile und giftige Seeschlangen. Viele Monate einsames Leben inmitten der unendlichen Weiten des Ozeans und an weißen Traumstränden. Es gab gefährliche Klippen und hohe Wellen, Hitze und Einsamkeit, brennende Salzkruste auf der geröteten Haut, Selbstgespräche und manchmal auch Selbstzweifel, Hochgefühle und Heimweh. „Australien war der Hammer“, sagte sie danach.
„Davon werde ich meinen Enkelkindern noch vorschwärmen.“ Am Ende war sie schneller (mit Pausen dauerte ihr Australien-Abenteuer 332 Tage) als der Neuseeländer Paul Caffyn, der 1981 genau 361 Tage für die (von Helfern begleitete) Umrundung von Down Under brauchte.
Die neue Reise ist nicht nur 8000 Kilometer länger, sondern auch schwieriger. Die Reise führt durch mehrere Klimazonen und im Süden wird es eisig kalt sein. Mehr als 20 000 Kilometer Pazifik und Atlantik liegen vor ihr. Sie streift karibische Länder, in denen Bürgerkrieg und Besorgnis erregende Kriminalität herrscht. „Das hat noch niemand vor mir gemacht“, sagt sie. Bereits Mitte August ist die scheinbar furchtlose HochseePaddlerin nach Argentinien geflogen. Gestern ist sie mit ihrem kleinen Kajak, mit Satellitentelefon, Navigationsgeräten, Ölund Fleece-Klamotten in See gestochen, um sich ganz allein dem Ozeanabenteuer fernab der Heimat zu stellen. Warum sie kein Begleitteam mitgenommen hat, erklärt sie so: „Ich will das allein durchziehen und nicht von der Lust und Laune, von der physischen und psychischen Konstitution anderer abhängig sein. Wenn die nicht mehr können, darf das meine Reise doch nicht gefährden. Nein, nein, ich war und bin mit Herz und Seele Einzelkämpferin.“
Wie teuer wird die südamerikanische Kajaktour? „Die Flüge sind teuer. Die Ausrüstung auch. Aber da helfen mir zum Glück Sponsoren.“
Wie lange sie unterwegs sein wird? „Drei Jahre. Ich habe den Trip in drei Etappen aufgeteilt.
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Auf jeder Etappe werde ich sieben, acht Monate am Stück machen. Vor meinem 50. Geburtstag im Jahr 2014 will ich Südamerika mit seinen zwölf Ländern auf jeden Fall umrundet haben. Das ist mein Ziel.“
Sie ist sicher: Auch die südamerikanische Seereise wird das Risiko wert sein.
Ihr Kajak ist fünf Meter lang und fasst bis zu 75 Kilo Ausrüstung und Nahrungsmittel. Auf der ersten Etappe wird sie von Argentinien aus nach Süden paddeln, ums Kap Hoorn will sie unbedingt herum. Und irgendwo vor Chile soll die Startetappe dann beendet sein, will sie die erste Pause einlegen, für einige Monate zurück nach Deutschland fliegen: Um sich um ihr Kind zu kümmern, um die Eisdielen in Husum und um ihren Freund, einen 40-jährigen Dänen, der auch Kajak fährt.
Vor Reisebeginn gab es allerdings einige Unwägbarkeiten. „Die argentinischen und chilenischen Behörden möchten gerne Paddelgenehmigungen erteilen“, erklärt die Extremsportlerin ihre aus der Distanz geführten Diskussionen mit den ausländischen Ämtern. „In deren Küstengewässern darf man angeblich nicht ohne Genehmigungen paddeln. Und auf einigen Strecken, so verlangt es angeblich das Gesetz, darf man noch nicht einmal unbegleitet über die Wellen reiten. Zum Bespiel ums Kap Hoorn. Bürokratie ist auch in Südamerika reichlich vorhanden. Leider.“
Bislang hat sie noch keine Genehmigungen eingeholt oder Streckenbegleiter rekrutiert, will sich, „wenn tatsächlich nötig“, erst vor Ort darum kümmern. „Ich will mir zum 50. Geburtstag nun mal dieses große Geschenk machen“, sagt die Extremsportlerin mit entschlossener Stimme. „Die Umpaddelung Südamerikas. Ich werde es schaffen. Auch wenn ich hier und da ein wenig härter dafür kämpfen muss.“